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Offene Fehlerkultur in der IT

Fail, learn, repeat – Lernkultur statt Blame Game

Von Jenny Tiesler

 

 

"Irren ist menschlich" oder "Nobody is perfect" – der Kern dieser Redewendungen: Es ist normal, Fehler zu machen. Und nicht zu vergessen: "Aus Fehlern wird man klug". So weit, so klar. Dann müssen wir eigentlich auch gar nicht darüber sprechen, oder? In vielen Unternehmen wird jedoch ein anderer Umgang mit Fehlern gelebt. Wie könnte es sonst zu jahrelanger Vertuschung wie z.B. beim Dieselgate eines großen Automobilkonzerns oder dem Wirecard-Skandal kommen? Wie kann eine positive, offene Fehlerkultur in Unternehmen aussehen? Und was kannst Du tun, um besser mit Deinen eigenen Fehlern und den Deines Teams umzugehen?

Was ist ein Fehler?

Lass uns erstmal schauen, was wir eigentlich meinen, wenn wir von einem Fehler sprechen. Oft benutzen wir diesen schwammigen Begriff, ohne uns Gedanken über Inhalt gemacht zu haben. Für den Duden ist ein Fehler etwas, das vom Richtigen abweicht. Ja, wer hätte das gedacht? Wenn wir genauer hinschauen, müssen wir unterscheiden zwischen Handlungen, bei denen wir erst am Ergebnis sehen, ob sie "richtig" waren und Handlungen, bei denen wir vorab schon abwägen können, ob das Ergebnis zu wahrscheinlich negativen Konsequenzen führt. Die Handlung selbst ist im Grunde neutral. Studien zeigen, dass der größte wirtschaftliche Schaden nicht durch falsche Entscheidungen entsteht, sondern dadurch, dass keine Entscheidungen getroffen werden. Vor allem für die innovationsgetriebene Tech-Branche ist es wichtig, Dinge auszuprobieren. Innovationen entwickeln sich daraus, dass Menschen Dinge ausprobieren. Und das geht am besten in einer Umgebung, in der ein konstruktiver Umgang mit Fehlern herrscht: Fail hard, but fail early.

The biggest risk is not taking any risk... In a world that is changing really quickly, the only strategy that is guaranteed to fail is not taking risks. – Mark Zuckerberg

Ein Fehler ist ein Fehler ist ein Fehler

In manchen Branchen und Berufen wiegen Fehler schwerer als in anderen. Ein Tippfehler ist für Texter:innen ärgerlich, bei Developern kann er dazu führen, dass ein Teammitglied lange an der Code Review sitzt. Im schlimmsten Fall bleibt der Bug unentdeckt. Nach dem Roll-out kann er dafür sorgen, dass der Shop down ist oder ein Schlupfloch für Cyberkriminelle entsteht. Gerade für die IT-Sicherheit ist eine offene Fehlerkultur ein wichtiger Bestandteil einer resilienten Abwehr. "Wir müssen bereit sein, die Schwächen offen auszusprechen, die wir erkennen, damit wir Lücken schließen können", fordert z.B. Politiker Volker Wissing im Zusammenhang mit russischen Cyberangriffen. Die Erkenntnis, dass wir nur aus Fehlern lernen können, gilt also in besonderem Maße für die Cybersicherheit.

Oft entscheidet unser eigener Umgang mit Fehlern darüber, ob sie zum Problem werden. Versuchen wir sie unter den Teppich zu kehren, löst das nicht selten eine ganze Reihe von Vertuschungsmaßnahmen und kleiner Notlügen aus. Einer Studie des amerikanischen Spezialisten für Datenlösungen Veritas Technologies zufolge haben mehr als die Hälfte aller Beschäftigten schon mal unbeabsichtigt gemeinsam genutzte Dateien in der Cloud gelöscht. 4 von 10 der befragten Deutschen versuchen diese Anwendungsfehler zu vertuschen. Der Grund: Sie schämen sich und haben Angst vor Konsequenzen.

Du stehst gerade erst am Anfang Deines Berufslebens und hast noch nicht viel Erfahrung. Logisch, dass Du mehr Fehler machst als Kolleg:innen, die den Job schon seit über 10 Jahren machen. Die gute Nachricht: Das wissen Unternehmen und Deine Fehler als Berufsanfänger:innen fallen für viele Vorgesetzte weniger ins Gewicht. Trotzdem ist es wichtig, dass Du zu den Fehlern, die Du gemacht hast, Feedback bekommst und lernst, Deine Arbeitsabläufe zu optimieren. 

Verschiedene Arten von Fehlern

Ob Programmfehler, Planungsfehler, technischer Fehler oder systematischer Fehler, Patzer mit geringer Auswirkung oder schwerwiegenden Folgen: Je nach Fachgebiet und Betrachtungsweise gibt es die unterschiedlichsten Definitionen und Klassifikationen von Fehlern.

Einmaliger Fehler

Du hast für Deine Analyse eine veraltete Datengrundlage gewählt oder Du hast den Namen der Kundin in Deiner Präsentation falsch geschrieben.

Hier solltest Du mit Deiner vorgesetzten Person locker aufarbeiten, wieso es dazu gekommen ist. An welcher Stelle hättest Du mehr Informationen gebraucht, wo wären zusätzliche Rückfragen sinnvoll gewesen oder hätte ein Vier-Augen-Prinzip den Fehler behoben? 

Wiederholungsfehler

Dein Team fragt regelmäßig bei Dir nach, weil Deine Doku unvollständig und unsauber ist? Dein Code crasht regelmäßig beim Einchecken die Continuous-Delivery-Pipeline?

Trotz mehrmaligem Feedback passiert Dir derselbe Fehler immer wieder. Dafür haben auch die geduldigsten Kolleg:innen und Vorgesetzen ab einem gewissen Zeitpunkt kein Verständnis mehr. Es ist höchste Zeit, eine Strategie zu entwickeln, wie Du diese Fehler abstellen kannst.

Sind Fehler "schlimm"? Der Kontext macht's

Spätestens in der Schule lernen wir, dass Fehler schlecht sind und negative Konsequenzen haben. Fast jede:r entwickelt eine diffuse Angst davor, etwas falsch zu machen. Allein das Wort "Fehler" löst bei der ein oder anderen Person bereits Ängste aus. Wovor genau wir Angst haben, ist individuell unterschiedlich. Bei einigen überwiegt die Angst, was andere denken, wenn man selbst zum x-ten Mal denselben Fehler gemacht hat. Andere wiederum fürchten sich vor den Konsequenzen ihres Fehlers. Denn die sind in der Regel negativ.

Diese Angst ist übrigens typisch deutsch. Nicht umsonst sprechen US-Amerikaner:innen von der "German Angst". Das heißt nicht, dass wir alle ängstlich sind. Aber das Stereotyp unterstreicht unsere Zögerlichkeit, den Wunsch nach Sicherheit und damit eine starke Vermeidung gegenüber Angst und Risiko. Der Umgang mit Deinen Fehlern hängt zum einen von Deiner Persönlichkeit ab. Bist Du ein perfektionistischer Typ, dann strebst Du danach, möglichst wenig Fehler zu machen und es ist ein kleiner Weltuntergang, wenn Dir doch etwas durch die Lappen geht. Für weniger perfektionistisch veranlagte Menschen wiegen die eigenen Fehler leichter.

Zum anderen steht der Umgang mit den eigenen Fehlern in direktem Zusammenhang mit der Kultur, in der wir leben und arbeiten. Wie wir gesehen haben, sind wir in Deutschland grundsätzlich eher zögerlich, aus Angst vor Fehlern, Unwägbarkeiten und möglichen Konsequenzen unseres Handelns. Wir möchten alles fehlerlos und perfekt haben. Auch in vielen Unternehmen wird Perfektionismus (noch) als Tugend gefeiert. Ein Unternehmenswert, der für erheblichen Druck bei den Angestellten sorgen kann, je nachdem, welches Mindset den Weg zum perfekten Produkt begleitet. 

Fehlerkultur in Unternehmen: So gehen Firmen mit Fehlern um

Wie Unternehmen mit falschem Verhalten und negativen Ergebnissen umgehen, lässt sich in drei Fehlerkulturen unterscheiden.

1. Blame Culture

Hier herrscht eine Null-Toleranz-Politik gegenüber Fehlern und sie werden hart sanktioniert. Die Konsequenz: Alle haben Angst, etwas falsch zu machen. Diese Angst lähmt und führt dazu, dass Fehler vertuscht werden. Oft zieht die Vertuschung einen gewaltigen Rattenschwanz hinter sich her. Es entsteht eine toxische Atmosphäre, in der Innovationen bereits im Keim erstickt werden.

2. Kultur der Verantwortungslosigkeit

Herrscht diese Kultur in Unternehmen, werden Fehler gerne wegdiskutiert, schöngeredet, Probleme ausgesessen oder an Nachfolger:innen vererbt. Niemand übernimmt also Verantwortung für Fehler und setzt sich konstruktiv mit ihnen auseinander, aus den unterschiedlichsten Gründen. Dieser Umgang kann für manche okay sein, aber wenn Du Dich und Deine Fähigkeiten weiterentwickeln möchtest und Dir etwas an Deiner Arbeit liegt, dann wirst Du mit dieser firmeninternen Fehlerpolitik auf lange Sicht unzufrieden sein. Denn sie kann zu Frust und Resignation führen.

3. Offene Fehlerkultur

In dieser Umgangsweise stehen Unternehmen Fehlern positiv gegenüber. Klar, gefeiert werden Fehler nicht, aber in dieser Unternehmenskultur wird akzeptiert, dass es Fehler gibt. Fehler werden grundsätzlich klar getrennt betrachtet von der Person, die ihn gemacht hat und ganz ohne den Gedanken an Schuld. In diesem Ideal der agilen Methodik arbeitet das ganze Team gemeinsam daran, die Fehlerursache zu finden. Jede:r reflektiert und am Ende finden alle gemeinsam eine Lösung, wie der Fehler in Zukunft verhindert werden kann. 

Agiles Mindset: Lernkultur statt Fehlerkultur

In dieser Idealvorstellung schwingt eine gute Prise heile Welt mit. In der Realität ist auch ein agiles Entwicklungsteam geprägt von Emotionen, die Fehler unweigerlich hervorrufen. Aber der Unterschied ist, dass die Grundeinstellung zu Fehlern positiv und der Umgang mit Fehlern im agilen Umfeld konstruktiv ist: Was können wir besser machen, dass er nicht noch ein zweites Mal passiert? Statt einer Fehlerkultur wird in der agilen Arbeitsweise lieber von einer Lernkultur gesprochen. Allein diese andere Begrifflichkeit lenkt den Fokus weg vom "Fehler" und hin zu dem, was wichtig ist. Nämlich, dass im Idealfall das gesamte Team aus dem Fehler lernt. Statt Energie in die Suche von Schuldigen zu stecken, setzen agile Teams alles daran, neue, bessere Strategien zu entwickeln. Das Team als Ganzes ist verantwortlich für seine Arbeit und die Fehler, die auf dem Weg passieren.

Ähnlich sieht es in der DevOps-Welt aus: Fehler helfen, das Produkt oder die Implementierung zu verbessern. Anstelle einer Strategie ohne Fehlertoleranz tritt die Zero Defects Philosophy. Das Hauptaugenmerk ist darauf gerichtet, Fehlerprävention zu betreiben. Dazu gehören für IT-Dienstleister klare und sehr konkrete Absprachen mit den Kund:innen, bevor auch nur eine Zeile Code geschrieben wird. Stehen die Architektur und das Design der Software, dann geht es an die möglichst fehlerfreie Umsetzung. Für einen hohen Qualitätsstandard bietet der DevOps-Werkzeugkasten neben klassischen Code Reviews und Tests auch Peer Reviews und Test-driven Development. Bei diesem Ansatz schreibst Du als Dev erst die verschiedenen Testfälle, um dann den bestmöglichen Code zu entwickeln. 

Vorteile der offenen Fehlerkultur

Eine Google-Studie zeigt, wie wichtig eine Teamkultur ist, in der offen über Fehler gesprochen werden kann. Solche Teams lernen schneller und ihr Output ist besser. Die intrinsische Motivation der einzelnen Teammitglieder wirkt dem jüngsten Phänomen unter der Genz Z, dem Quiet Quitting entgegen. 

Stromkasten, auf den eine Sonnenblune gesprüht wurde mit dem Schriftzug Always Room to Grow

Ideal versus Realität

Inzwischen haben Unternehmen erkannt, dass ein offener Umgang mit Fehlern wichtig ist. Sich dieses Mindset auf die Firmen-Website zu schreiben, reicht aber nicht. Es muss gelebt werden, genau wie die agile Arbeitsweise, der sich inzwischen auch große Konzerne verschrieben haben. Und sich mit der Umsetzung, der agilen Transformation, teils schwertun.

In einer falsch verstandene No blame Culture sprechen die Mitarbeitenden aus Rücksicht auf Befindlichkeiten von Kolleg:innen und Vorgesetzten Fehler nicht an. Und in der Retrospektive am Ende des Sprints klopfen sich alle im Team auf die Schulter. Statt den Smelling Code vom Teammitglied anzusprechen, werden Fehler lieber heimlich selbst behoben. So eine Kuschel-Retro bringt keinen weiter. Statt das Spezialwissen von anderen Kolleg:innen zu nutzen, führt diese falsch verstandene Fehlerkultur am Ende zu einem höheren Fehlerpotenzial und einer schlechteren Codequalität. Dieser schlechte Umgang mit Fehlern äußert sich sehr subtil und für Dich am Start Deines Berufslebens ist er sehr schwer zu erkennen.

Hier können Führungskräfte mit gutem Beispiel vorangehen. Sie haben die Möglichkeit, durch eigene Fehler zu zeigen, wie ein konstruktiver Umgang aussehen kann. Ein Vorgehen, das Vertrauen schafft und zeigt: Niemand ist unfehlbar.  

5 Schritte für Dein konstruktives Fehlermanagement

Wenn Du nicht warten willst, bis Deine Chef:in in Eurem Team eine gute Fehlerkultur anstößt, kannst Du Dir so selbst ein positives Fehler-Mindset aneignen:

1. Gestehe Dir ein: Jede:r macht Fehler.

Es klingt trivial. Aber erst, wenn Du Dir eingestehst, dass Du etwas falsch gemacht hast, gibst Du Dir die Möglichkeit, es besser zu machen.

2. Hänge Dich nicht an Deinen Fehlern auf.

Eine Analyse, wie der Fehler entstehen konnte, ist wichtig. Es ist auch okay, sich zu ärgern. Verharre aber nicht in der Negativspirale und verliere nicht den Blick nach vorne.

3. Übernimm Verantwortung für Deine Fehler.

"Own your mistakes" – der Fehler und Dein Umgang mit ihm liegt bei Dir ganz allein. Statt Gründe für den Fehler bei anderen Personen oder Umständen zu suchen, frag Dich, was Du in der jeweiligen Situation hättest besser machen können.

Gerade in der Projektarbeit ist es einfach, Fehler woanders zu suchen. Das Briefing war lückenhaft oder die Kommunikation schlecht. Ja und? Du hättest noch mal beim Kollegen nachfragen oder Deine Vorgesetzte mit ins Boot holen können. 

4. Ziehe die richtigen Schlüsse und entwickle Routinen

Es ist nicht immer leicht, herauszufinden, wo genau das Problem lag und welche Konsequenzen Du daraus für Dich ableiten kannst. Musst Du Deine nächste Präsentation vor Freund:innen üben, weil das freie Sprechen Dir nicht so liegt? Hast Du gemerkt, dass Du mehr Feedback zu Deinem Code brauchst? Schlage Deinem Team regelmäßiges Pair Programming vor. Mache regelmäßige Recaps: Notier Dir nach jedem Projekt, was gut lief, was nicht und wo die Gründe dafür lagen. 

5. Halte Deine Lösungsstrategien fest.

Du hast einen Modus für Dich gefunden, regelmäßig Deine Fehler zu identifizieren und zu schauen, wo es nicht rund lief? Prima. Der nächste Step ist es, Deine Lösungen festzuhalten. Das können Checklisten sein, Fragen oder einfach nur formulierte Absichten. Es hilft, Dir präziser und ein Stückchen verbindlicher zu sein.

… über Fehler lachen

Fehler machen, Scheitern und Versagen ist immer noch ein Tabu. Dabei muss es keins sein, denn Fehler machen uns besser und der ein oder andere Fail bringt uns zum Schmunzeln. Das Konzept haben z.B. Fuck-up-Nights und Fail-Days aufgegriffen: In vielen deutschen Großstädten erzählen Günder:innen und Studierende bei diesen Events ihre persönlichen Geschichten vom Scheitern. Shit happens – und manchmal tut es einfach gut, darüber zu lachen. 

tl;dr:
  • In Unternehmen ohne Fehlerkultur können Angestellte eine große Angst entwickeln, Fehler zuzugeben aus Angst vor Sanktionen. Das Resultat, Fehler werden vertuscht und heimlich ausgebessert. Aber Fehler passieren nicht ohne Grund.
  • Nur wenn Du Dich konstruktiv mit Deinen Fehlern auseinandersetzt, kannst Du aus ihnen lernen. Dein positives Fehler-Mindset macht Dich resilienter und Du gerätst nicht in eine Negativspirale.
  • Ein positiver Umgang mit Fehlern hat für Unternehmen viele Vorteile: Er verbessert das Produkt, schließt Sicherheitslücken und stärkt das Teamgefühl.
 

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