Was ist Quantum Computing?

Wenn Bits zu Quantenbits werden: Quantencomputer, die Zukunft der IT?

Jenny Tiesler
Quantencomputer

Quantum Computing ist eine revolutionäre Technologie, die das Potenzial hat, viele komplexe Probleme schneller und effizienter zu lösen als herkömmliche Computer. Das Wettrennen um den stärksten Quantencomputer ist längst eröffnet. Unternehmen wie IBM, Microsoft und Google sorgen immer wieder für neue Durchbrüche auf dem Gebiet der Quantentechnologie. Auch über den nahen oder doch nicht so nahen großen Tag der Quantenüberlegenheit wird viel spekuliert. Mit Gewissheit können wir heute sagen: Was die Leistungsfähigkeit betrifft, verhält sich der Quantencomputer zu einem gewöhnlichen Heim-PC wie ein Überschall-Flugzeug zu einem Heißluftballon. Forschende wollen mit den Supercomputern alle möglichen Zustände von Molekülen simulieren und so neue Meilensteine in der Entwicklung von Medikamenten z.B. gegen Alzheimer erreichen. Auf den Gebieten der Künstlichen Intelligenz und Big Data wird Quantum Computing künftig für rasante Weiterentwicklung sorgen. Höchste Zeit, uns die Welt der Quantenbits mal genauer anzuschauen. Lass uns rausfinden, was Quantencomputer können, was normale Computer nicht können.

Was ist Quantum Computing und wie funktionieren Quantencomputer?

Bevor in den 1980er-Jahren erste Überlegungen zum Rechnen mit Quantencomputern aufkamen, gingen die meisten Informatiker:innen davon aus, dass sie mit klassischen Computern alles im physikalischen Universum berechnen können, was berechenbar ist – vom Aktienmarkt bis zur Astrophysik. In chemischen Verfahren jedoch geraten Wissenschaftler:innen, z.B. wenn es um die Simulationen von relativ einfachen Molekülen oder Reaktionen geht, mit herkömmlichen Computern immer wieder an Grenzen. Die Komplexität in der Berechnung steigt exponentiell, Speicher- und Rechenkapazitäten sind jedoch begrenzt. Zudem erschweren Quanteneffekte die Modellierung. Quanten-was? Auf dieses Phänomen der Quantenmechanik kommen wir später noch zu sprechen. Quantencomputer bieten vielversprechende Möglichkeiten, diese Herausforderungen zu überwinden und komplexe chemische Systeme besser zu simulieren, indem sie parallele Berechnungen und Quanteneffekte nutzen.

Um zu verstehen, was genau die Qubits zu kleinen Superhelden macht, werfen wir einen Blick auf die Basics der Quantenmechanik. Eine zentrale Idee in der Quantenmechanik ist die Existenz von Quantenbits (Qubits). Im Gegensatz zu herkömmlichen Bits, die bekanntlich entweder den Wert 0 oder 1 haben, können Qubits aufgrund ihrer quantenmechanischen Natur gleichzeitig 0 und 1 sein. Aber das ist noch nicht alles: Sie können sogar alles dazwischen sein z.B. auch 0,. Werden sie gemessen, haben sie allerdings entweder den Zustand 1 oder 0. Dieser Zwischenzustand zwischen 1 und 0, den Quantenbits für eine bestimmte Zeitspanne einnehmen können, wird als Superposition bezeichnet.

Du kannst es Dir wie eine Münze vorstellen. Stellt sie ein Bit dar, liegt entweder die Seite mit der Zahl oben oder die Kopfseite. Stellt sie ein Qubit dar, rotiert sie und dreht sich schnell um sich selbst. In diesem Zustand kannst Du nicht sagen, ob Zahl oder Kopf oben ist. Erst wenn Du den Vorgang stoppst und den Ausgang misst, liegt ein eindeutiges Ergebnis vor.

Die Superteilchen: Vorteile der Qubits

Beim Tanz der Teilchen sichern sich Quantenbits einen gewaltigen Vorsprung. Sie sind durch die Superposition viel effizienter. Warum? Das lässt sich an einem einfachen Beispiel erklären: Zwei Bits können in einem herkömmlichen Computer immer nur eine Zahl zwischen 0 und 3 auf einmal darstellen, also [0,0], [1,0], [0,1] und [1,1]. Ein Qubit hingegen kann alle diese Zahlen und theoretisch noch unendlich mehr Zustände annehmen, und zwar gleichzeitig. Das macht den Quantencomputer wesentlich schneller. Anders als Dein normaler PC führt ein Quantencomputer, Dank der Quantenbits und ihrer Superpower, der Überlagerung der Zustände, viele Berechnungen parallel durch.

Es hängt jedoch von der spezifischen Aufgabe und der Anzahl der Qubits ab, wie viel schneller der Quantencomputer rechnet. Zwei Qubits können 4, drei Qubits 8, vier Qubits 16 Zustände speichern und so weiter. Jedes weitere Quantenbit verdoppelt die Zahl der möglichen Zustände, die das System gleichzeitig speichert.

Aber das ist noch nicht alles. Quantenbits können darüber hinaus miteinander verschränkt sein. Eine Verschränkung kann entstehen, wenn zwei Qubits miteinander wechselwirken, z.B. über ihre Magnetfelder. Die Quantenverschränkung, oder englisch Entanglement, findet dann statt, wenn die Quantenbits in Superposition, also dem Zwischenzustand sind.

Mit der Verschränkung können größere Mengen von Superpositionen dargestellt werden. Ein Phänomen, das dabei auftritt, hat Albert Einstein "Spukhafte Fernwirkung" genannt und bereitet Physikern und Philosophinnen Kopfzerbrechen: Verschränkte Quantenbits sind abhängig voneinander. Wird der Zustand eines Quantenbits durch eine Messung festgelegt, werden zeitgleich auch alle Partner beeinflusst. Sogar dann, wenn beide räumlich getrennt und sogar kilometerweit auseinander sind. Klingt ein bisschen wie teleportieren, oder? Doch bevor wir in Zukunft vielleicht doch irgendwann beamen können, wird dieses Phänomen z.B. für eine abhörsichere Datenübertragung spannend werden. Verschränkte Quantenzustände eröffnen auch bei der Speicherung und Verarbeitung von Informationen ganz neue Möglichkeiten.

Um Berechnungen durchzuführen, setzen Quantencomputer auf Quantengatter, die ähnlich wie logische Gatter in herkömmlichen Computern funktionieren. Mit Quantengattern werden Operationen auf den Qubits durchgeführt und die Ergebnisse miteinander verknüpft. Quantengatter spielen in der Berechnung eine entscheidende Rolle: sie ermöglichen es Quantencomputern, komplexe Probleme schneller und effizienter zu lösen als herkömmliche Computer.

Mit Quantenalgorithmen kannst Du viele physikalische Berechnungen wesentlich schneller erledigen. Auf dem Feld der Informatik beschleunigen diese Algorithmen z.B. die Suche in extrem großen Datenbanken und können die Faktorisierung großer Zahlen, wie den für kryptografische Verfahren wichtigen Shor-Algorithmus sehr viel effizienter lösen als "klassische" Algorithmen.

Gefahrenzone Sicherheit: Knacken Quanten-Bösewichte unsere Kryptografie?

Wenn es um Verschlüsselungsverfahren geht, können Quantencomputer tatsächlich zur Bedrohung werden. Heute nutzen wir gängige Verschlüsselungsverfahren wie Public Key oder die Elliptische Kurven-Kryptografie, um unsere Daten zu schützen. Selbst für leistungsfähige klassische Computer ist es praktisch unmöglich, so große Zahlen zu faktorisieren oder diskrete Logarithmen zu berechnen. Diese Aufgaben sind die Basis für die Kryptografie hinter den Verschlüsselungsverfahren und machen sie sicher.

Quantencomputer können jedoch genau das. Der Shor-Algorithmus macht's möglich. Mit dem können Quantencomputer die bisherige Sicherheit dieser Verschlüsselungsverfahren, die auf symmetrischen Kryptosystemen basieren, aushebeln. Stell Dir vor, Deine E-Mails oder Banktransaktionen könnten von einem Quantencomputer im Nu entschlüsselt werden. Ziemlich uncool, aber keine Panik! Die Krypto-Community ist sich dieser Herausforderung bewusst und forscht an neuen Verschlüsselungsmöglichkeiten, die Angriffen von Quantencomputern standhalten. Diese werden als Post-Quantum-Kryptografie bezeichnet. Hier geht's darum, neue mathematische Algorithmen zu entwickeln, die Quantencomputer nicht so leicht knacken können wie codebasierte oder gitterbasierte Verfahren. Um sicherzustellen, dass unsere Daten in Zukunft sicher sind, arbeiten Unternehmen und Regierungen daran, auf diesen D-Day vorbereitet zu sein. Für das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) ist es keine Frage mehr, ob und wann es Quantencomputer geben wird. Es wurden erste Post-Quanten-Verfahren vom National Institute Of Standards And Technology (NIST) zur Standardisierung ausgewählt und die Post-Quanten-Kryptografie soll standardmäßig eingesetzt werden.

Anwendungsbereiche von Quantencomputern

Lange Zeit war der Quantencomputer eher Science-Fiction: Immer wieder unternahmen Forschende Versuche, das theoretische Konzept in Laboren nachzubauen. In welcher Form Quantencomputer in Zukunft Teil unseres Alltags werden und wann, das können Expert:innen noch nicht abschätzen. Es braucht nicht nur neue Technologien, sondern auch ein Umdenken hinsichtlich der Art, wie Computer funktionieren. Quantencomputer haben das Potenzial, wichtige Fortschritte in verschiedenen Bereichen zu erzielen. Quantencomputer können komplexe Moleküle simulieren und dabei helfen, z.B. effektivere Medikamente zu entwickeln. So löste der Quantencomputer des Forschungszentrums Jülich im Januar 2023 ein Protein-Puzzle und lieferte der Forschung wichtige Ergebnisse zu Zusammenhängen von fehlerhaften Proteinfaltungen, die bei Krankheiten wie Alzheimer oder Parkinson eine Rolle spielen könnten.

Ein weiterer Anwendungsbereich ist die Optimierung von Logistik- und Verkehrsnetzen. Quantencomputer können große Datenmengen analysieren und komplexe Optimierungsprobleme lösen. Dadurch können sie beispielsweise die effizientesten Routen für den Warentransport oder den Verkehr vorschlagen, um Zeit und Ressourcen zu sparen. Anders als der normale Computer, der jede Route nacheinander durchrechnet, erfasst der Quantencomputer alle möglichen Routen gleichzeitig – ein Riesenvorteil.

Quantencomputer können bei der Simulation komplexer physikalischer Systeme einen großen Beitrag leisten. Wenn es so weit ist, werden Quantenbits, die kleinen Multitasking-Meister, zahlreiche Vorteile für verschiedene Einsatzbereiche bieten:

Autonomes Fahren: Quantencomputer helfen bei der Verarbeitung großer Datenmengen und bei der Echtzeitoptimierung von Fahrsystemen und verbessern die Sicherheit und Effizienz autonomer Fahrzeuge.

Kryptografie: Um sensible Daten zu sichern, ermöglichen Quantencomputer Verschlüsselungsmethoden auf einem ganz neuen Level.

Medizinische Forschung: Quantencomputer können molekularbiologische oder -chemische Systeme viel besser simulieren als herkömmliche Computer und so in der Diagnostik und der Arzneimittelforschung neue Meilensteine erreichen. Sie werden bereits in der Krebsforschung eingesetzt und erstellen individuelle Therapiemaßnahmen für Krebspatient:innen.

E-Commerce: Mit Quantencomputern lassen sich komplexe Optimierungsprobleme lösen, wie die effiziente Routenplanung für Lieferungen oder die Personalisierung von Einkaufserlebnissen im Online-Handel.

Big Data: Riesige Datenmengen zu analysieren und Muster z.B. in Social-Media-Daten zu erkennen, ist für die Superrechner ein Kinderspiel. Die Quantenrechner bringen aber auch Licht auf die dunkle Seite der Daten: Sie durchleuchten auch Dark Data und können aus diesen unstrukturierten Daten Informationen bergen, die bisher schwer zugänglich waren.

Künstliche Intelligenz und Machine Learning: Während KI heute z.B. bei der Bilderkennung ein Bildmerkmal nach dem anderen analysieren, kann ein Quantencomputer alle möglichen Merkmalskombinationen auf einmal betrachten. Dadurch generiert er viel genauere und umfassendere Beschreibungen für die erkannten Bilder.

Risk & Finance: Mit Quantencomputern lassen sich Portfolios besser optimieren und komplexere Finanzmodelle erstellen.

Vor allem die Verschmelzung der bahnbrechenden Technologien von Quantum Computing und maschinellem Lernen birgt großes Potenzial für viele Anwendungsgebiete, wie der Industrie 4.0, Logistik, dem Verkehrswesen und vielen mehr.

Herausforderungen und Zukunftsaussichten der Quantencomputer

Es vergeht gefühlt keine Woche ohne einen neuen Meilenstein im Quantenwettrennen von IBM und Google. Während Google 2019, etwas vorschnell, seine Quantenüberlegenheit für den Sycamore-Chip ausrief und den Sputnik-Moment in der Quantenwelt gekommen sah, hat IBM mit "Osprey" derzeit den größten Prozessor mit 433 Qubits. Ausschlaggebend ist aber nicht die bloße Anzahl der Quantenbits, sondern wie lange sie in Superpositionen gehalten werden können. Qubits sind extrem empfindliche Geschöpfe. In der Quantenwelt gibt es überall Rauschen, das von thermischen Schwankungen, elektromagnetischen Feldern und anderen Umgebungseinflüssen verursacht wird. Dieses Rauschen kann die Quantenzustände der Qubits verändern und zu Fehlern bei den Berechnungen führen.

Blick ins Labor von IBM in dem Quantencomputer

Quelle: ibm.com

Für die stabile Überlagerung der Zustände müssen Quantenbits extrem kalt gehalten werden. Je kälter die Umgebungstemperatur ist, desto länger können die Qubits ihre Quantenzustände aufrechterhalten und desto präziser wird gerechnet. Für die Kühlung setzt die Forschung auf Kyrostate, die extreme Kälte erzeugen, und supraleitende Materialien, die bei niedrigen Temperaturen ihre elektrischen Widerstände verlieren.

Fehlerkorrektur und Skalierbarkeit

Neben der Fehleranfälligkeit der kleinen Qubits gibt es eine weitere Herausforderung, die Skalierbarkeit. Aktuelle Quantencomputer verfügen nur über eine begrenzte Anzahl von Qubits und sind in ihrer Rechenleistung eingeschränkt. Eine große Herausforderung besteht darin, Quantencomputer mit einer steigenden Anzahl von Qubits zu entwickeln und dabei die Kohärenz der Quantenbits aufrechtzuerhalten. Du siehst, Fehlerkorrektur und Skalierbarkeit sind dabei eng miteinander verbunden. Die Entwicklung von robusten Fehlerkorrekturmechanismen ist die Basis, um die Skalierbarkeit von Quantencomputern zu gewährleisten. Erst wenn die beiden Bausteine stabil sind, können Quantencomputer ihr volles Potenzial entfalten.

Quanten-Hybridmodelle: das Beste aus beiden Welten

Ein Quäntchen näher an der Umsetzbarkeit könnten Hybridmodelle sein. Diese Mischcomputer könnten das Beste aus beiden Welten vereinen und die Stärken der Quantenleistung mit der Robustheit und Vielseitigkeit klassischer Rechenmaschinen kombinieren. Die Idee hinter Hybridmodellen: Bestimmte Teile eines Problems, die besonders gut für Quantenberechnungen geeignet sind, werden von einem Quantencomputer bearbeitet. Der Rest des Problems wird von einem herkömmlichen Computer gelöst. Auf diese Weise könntest Du Quantenleistung nutzen, um komplexe Berechnungen zu beschleunigen und spezifische Aufgaben effizienter zu lösen.

Die Entwicklung von Hybridmodellen steckt noch in den Anfängen. Die nahtlose Integration von Quanten- und klassischer Hardware und die Entwicklung effizienter Schnittstellen sind nur einige der Aspekte, die Quanten-Expert:innen berücksichtigen müssen. Microsoft bietet mit Azure Quantum z.B. die Möglichkeit, klassische mit Quantenberechnungen zu kombinieren.

Quantencomputer sind richtige Tausendsassa, aber bis sie alltagstauglich werden, müssen Forschung und Wissenschaft noch einiges auf den Weg bringen. Für IT-Talente wie Dich stehen aufregende Zeiten an, in der Quanten- und klassische Computer zusammenarbeiten und neue Anwendungen von Quantenalgorithmen über Quantenkryptografie bis zu Quantensensorik und sogar ein Quanteninternet möglich werden.

TL;DR:
  • Quantum Computing ist eine revolutionäre Technologie, die das Potenzial hat, komplexe Probleme schneller und effizienter zu lösen als herkömmliche Computer.
  • Im Gegensatz zu herkömmlichen Computern basieren Quantencomputer auf den Prinzipien der Quantenmechanik, wie der Superposition und der Verschränkung von Teilchen. Quantenbits oder Qubits sind die Grundbausteine der Supercomputer und können gleichzeitig die Zustände 0 und 1 annehmen und jeden Zustand dazwischen.
  • Quantenalgorithmen ermöglichen schnelle Berechnungen in Bereichen wie der Suche in großen Datenbanken und der Faktorisierung großer Zahlen. Quanten Computing hat das Potenzial, in verschiedenen Bereichen wie Medizin, Logistik, Kryptografie und künstlicher Intelligenz bahnbrechende Anwendungen zu ermöglichen.