Mittelstand – Hidden Champion am IT-Arbeitsmarkt

Keine Spur von Langweile – die heimlichen Stärken mittelständischer Arbeitgeber

Jenny Tiesler
Modernes Großraumbüro

Als IT’ler:in hast Du nach Deinem Informatik-Abschluss die Qual der Wahl, schließlich werden IT-Fachkräfte in jeder Branche gesucht. Ob Du Deine IT-Laufbahn in einem Start-up beginnst, in einem überschaubaren mittelständischen Unternehmen, einem Familienbetrieb oder im international agierenden Konzern hängt vor allem davon ab, was Du von Deinem Job erwartest und was Dir bei Deiner Arbeit und Deinem Arbeitsumfeld wichtig ist. Neben einem guten Gehalt spielen auch Faktoren wie die Unternehmenskultur und Aufstiegsmöglichkeiten eine Rolle. Was bieten Dir als Informatiker:in mittelständische Arbeitgeber im Gegensatz zu Start-ups und Großkonzernen? Zeit, den "German Mittelstand", eine weltweit einzigartige Struktur, mal genauer unter die Lupe zu nehmen.

Das Rückgrat der deutschen Wirtschaft

Die meisten Unternehmen in Deutschland zählen zum Mittelstand. Vom kleinen Familienbetrieb bis zum mittelgroßen Unternehmen, der Mittelstand sorgt dafür, dass die deutsche Wirtschaft trotz Krisen stabil ist. Sie machen rund 99 Prozent aller Unternehmen in Deutschland aus. Viele der ganz Großen wie Bosch, Adidas oder SAP sind aus dem Mittelstand hervorgegangen. Du siehst, auch wenn "Mittelstand" angestaubt klingt, steht er für Innovationskraft. Und das in ganz unterschiedlichen Branchen: in der Automobilindustrie, der Bau-und Immobilienbranche, dem Handel, der Tech-Branche bis hin zum Consulting. Viele mittelständische Unternehmen sind auch in Nischenmärkten tätig, in denen sie durch Spezialisierung z.B. auf IT-Sicherheitslösungen für kritische Infrastrukturen und hohe Qualität erfolgreich sind.

In der IT nimmt der Mittelstand eine besondere Position ein: IT-Mittelständler sind der Treiber der digitalen Transformation bei uns im Land. Sie entwickeln Soft- und Hardware-Lösungen, beraten Unternehmen, digitalisieren und optimieren Geschäftsprozesse.

Faktencheck kleine und mittlere Unternehmen (KMU):

  • 99,3 Prozent der deutschen Unternehmen sind KMU
  • 33,7 Prozent des gesamten Umsatzes in Deutschland generieren KMU
  • 54,4 Prozent aller Beschäftigten arbeiten in KMU

Eine eindeutige Definition bis zu welcher Größe ein Unternehmen zum Mittelstand zählt, gibt es nicht. In unserer Unternehmenssuche findest Du Unternehmen mit bis zu 250 Mitarbeiter:innen unter der Kategorie Mittelstand.

Was erwartet Dich als Informatiker:in in einem KMU?

Oft sind die Betriebe von ihren Inhaber:innen geführt und es wird großer Wert auf die Nähe zur Kund:in gelegt. Die Arbeitsabläufe sind im Vergleich zum Start-up schon gefestigt, aber immer noch flexibel. Weil nicht jeder Arbeitsschritt über genaue Arbeitsanweisungen festgelegt werden muss, ist die Bürokratie deutlich geringer als in einem Konzern. Auch die vielbeschworene Work-Life-Balance ist in mittelständischen Unternehmen oft besser.

Mittelständische Unternehmen haben sich bereits einen treuen Stamm von Kund:innen aufgebaut und stehen wirtschaftlich auf festen Füßen. Bei Großaufträgen kann es aber noch zu Engpässen kommen, weil insgesamt ein kleineres Budget zu Verfügung steht.

Tendenziell kann man sagen, dass Du in größeren Unternehmen mehr Möglichkeiten hast, Dich auf ein bestimmtes Fachgebiet zu spezialisieren. Je kleiner das Unternehmen ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass Du ein breiteres Aufgabenfeld und Überschneidungspunkte mit verschiedenen Berufsfeldern der IT-Branche hast. Beispielsweise wenn Du als Anwendungsentwickler:in gleichzeitig für IT-Security und das Qualitätsmanagement verantwortlich bist. Positionen sind in der Regel nicht doppelt besetzt. Je breiter Dein IT-Wissensschatz, desto besser. Das hat ganz praktische Gründe: Macht Dein Kollege Urlaub, müsstest Du ihn als Backendentwicklerin im Frontend vertreten.

Wenn Du Deine IT-Skills dafür einsetzen willst, um die deutsche Wirtschaft digitaler zu machen, könnte ein IT-Job in einem mittelständischen Unternehmen das Richtige sein. Welche Vorteile Du als Softwareentwickler, Admin oder IT-Beraterin in einem kleinen bis mittelständischem Unternehmen hast, das schauen wir uns jetzt mal an.

Vorteile Deines IT-Jobs im Mittelstand

Ob Du als UX-Designerin oder Datenbankentwickler in einem mittelständischen Unternehmen Deinen Traumarbeitsplatz findest, hängt von Deinen persönlichen Erwartungen an Deinen Arbeitgeber, Deinen Interessen und Wertvorstellungen ab. Grundsätzlich bieten KMU einige Vorteile gegenüber Konzernen und Start-ups.

Wenig Bürokratie

Kleine und mittlere Unternehmen sind oft agiler als Konzerne, vor allem in der IT-Branche. Entscheidungswege sind kürzer und Prozesse effektiver, da Du weniger bürokratische Hürden überwinden musst.

Leichtere Aufstiegschancen

Oft erreichst Du eine höhere Position schneller, als es in einem Großunternehmen möglich wäre. Die übersichtliche Betriebsgröße und kleinere Angestelltenanzahl macht es leichter, in Führungspositionen zu kommen und Du musst keinen vorgezeichneten Karriereweg abschreiten, um nach oben zu kommen.

Interdisziplinäres Arbeiten

In mittelständischen Unternehmen ist es oft üblich, dass Mitarbeiter:innen aus verschiedenen Abteilungen zusammenarbeiten, was die Arbeitsprozesse effektiver und kreativer gestaltet.

Familiäre Unternehmenskultur

Vor allem Familienunternehmen haben eine ganz besondere Unternehmenskultur: Zwischen Angestellten und Inhaber:in besteht ein persönlicher Bezug und die Belegschaft identifiziert sich stark mit den Unternehmenswerten. Hier ist die Fluktuation gering und Du tauchst nicht in der Anonymität der Masse unter.

Einfacher IT-Quereinstieg

Unter dem IT-Fachkräftemangel leidet der deutsche Mittelstand besonders. Wenn Du einen Quereinstieg in die IT-Welt planst, dann hast Du in einem KMU gute Chancen auch ohne Formalqualifikation erste Berufserfahrung in der IT zu sammeln. Hier haben es IT-Quereinsteiger:innen einfacher als in Konzernen, vorausgesetzt, sie bringen die nötige Portion Lernwillen, Motivation und eine Hands-on-Mentalität mit. Denn es werden weniger Spezialist:innen gesucht, sondern Allrounder.

Weibliche Führungskräfte

KMU sind diverser aufgestellt als Start-ups und die Big Player: In mittelständischen Unternehmen sind 16,5 Prozent der Führungskräfte weiblich. In Konzernen sind dagegen gerade einmal 6,3 Prozent der Führungspositionen mit Frauen besetzt. Wenn Du als weibliches IT-Talent in die Führungsetage willst, findest Du im Mittelstand Role Models.

Nachteile einer IT-Karriere im Mittelstand

Jedes Unternehmen und jede Branche haben ihre Eigenheiten. Obwohl mittelständische Unternehmen für Dich als Berufseinsteiger:in in der IT-Branche attraktiv sein können, gibt es auch einige potenzielle Nachteile.

Eingeschränktere Karrieremöglichkeiten

Obwohl Du im Vergleich zum Konzern schnell mehr Verantwortung übernehmen kannst, bekommst Du nicht zwangsläufig auch eine Führungsposition. Denn je kleiner das Unternehmen, desto weniger leitende Stellen gibt es. Die Leitungsposten sind aber nicht nur begrenzt, in Familienunternehmen sind sie auch oft den Mitgliedern der Inhaberfamilie vorbehalten.

Begrenzte Ressourcen

Mittelständische Unternehmen verfügen oft über weniger Budget als Großunternehmen. Dies kann bedeuten, dass es weniger Möglichkeiten z.B. für Deine IT-Zertifizierung und Benefits gibt.

Ungünstige Strukturen

Auch wenn die Kommunikationswege kurz und die Hierarchien flach sind können die Unternehmensstrukturen für Dich ungünstig sein. So sind z.B. Positionswechsel schwierig und auch die Arbeitszeiten kannst Du Dir meistens nicht sehr flexibel einteilen, da Du in der Regel abteilungsübergreifend arbeitest. Und das funktioniert nur, wenn alle ungefähr zur gleichen Zeit arbeiten.

Geringeres Gehalt

Obwohl von Dir viel Eigeninitiative und Ownership erwartet wird, fällt Dein Gehalt geringer aus als in einem großen Konzern. Auch bei Gehaltserhöhungen kannst Du nicht so viel einstreichen wie bei den ganz Großen. Je nach Branche, Bundesland und Deiner IT-Spezialisierung fällt Dein Gehalt unterschiedlich aus. Schmeiß unseren Gehaltsrechner an, wenn Du es genauer wissen willst

Der Mittelstand liegt im Trend: GenZ loves KMU

Gutes Gehalt, offene Kommunikation, Aufstiegsmöglichkeiten, Aufgeschlossenheit gegenüber neuen Konzepten, Weiterbildungsmöglichkeiten, soziales Engagement, nachhaltiges Handeln, Diversität, flache Hierarchien – all das schätzt und wünscht sich die Generation Z von Unternehmen. Kleine, mittelständische und Familienunternehmen können als Caring Companies bei den Digital Natives als Arbeitgeber punkten. Denn der Wunsch nach einem familiären Arbeitsumfeld in Verbindung mit einem krisensicheren Arbeitsplatz (ob im Büro oder Home-Office) ist für die junge Generation ein wichtiger Faktor bei der Unternehmenswahl, so die Ergebnisse einer Umfrage.

KI trifft KMU

Um die digitale Transformation umzusetzen, spielt künstliche Intelligenz eine entscheidende Rolle für den Mittelstand. KI kann zur besseren Risikoabschätzung und Planbarkeit, zur Prozessoptimierung oder im Fertigungsprozess zum Einsatz kommen. Während große Konzerne längst in vielen Bereichen auf KI setzen, hinken kleine und mittlere Unternehmen noch hinterher. Gründe dafür liegen nach einer Studie von Deloitte teilweise in der fehlenden Expertise, Implementierungshürden und Datenproblemen. Als IT-Beraterin oder Cloud-Experte gibt es für Dich im Mittelstand z.B. auf dem Weg zur Industrie 4.0 jede Menge zu tun. Auch wenn die zurückliegende Pandemie schon einiges in Schwung gebracht hat, gibt es noch viel digitalen Nachholbedarf und zwar in fast allen Branchen.

TL;DR:
  • Es gibt keine einheitliche Definition für mittelständische Unternehmen. Die Übergänge zu Start-up und Großkonzern sind fließend und werden vor allem an der Anzahl der Angestellten festgemacht.
  • Als IT'ler:in in einem KMU hast Du oft ein breites Aufgabenfeld: Als Anwendungsentwickler:in bist Du gleichzeitig für IT-Security und das Qualitätsmanagement verantwortlich.
  • Wenn Du Deine IT-Skills dafür einsetzen willst, um die deutsche Wirtschaft digitaler zu machen, könnte ein IT-Job in einem mittelständischen Unternehmen das Richtige sein.