Die Zukunft der Softwareentwicklung

Lohnt sich eine IT-Karriere auch morgen noch?

Bylle Bauer
Vier Bots, die an einem Bürotisch sitzen.

Jede:r kann heute eine Website bauen, und das sogar innerhalb weniger Minuten. Wenn das mit Automatisierung, KI und No Code so rasant weitergeht, bist Du in naher Zukunft als Programmierer:in ja überflüssig – oder? Lass uns einen Blick in die Glaskugel werfen!

Welche Trends könnten Dir als Softwareentwickler:in gefährlich werden?

Seit ChatGPT auf den Markt gekommen ist, hat sich vieles geändert – und wie wir das von Technologie kennen, in unheimlicher Geschwindigkeit: Ende 2022 wurde das Tool vorgestellt; Expert:innen von Europol vermuten, dass im Jahr 2026 90 % der Online-Inhalte synthetisch, also entweder mithilfe von KI erstellt oder komplett KI-generiert sein werden. Was das für Themen wie die Qualität und Richtigkeit der Inhalte, die Beziehungen zu Kunden und Mitarbeitenden oder die Code Cleanliness von Anwendungen bedeutet, werden wir dann sehen.

Schafft Künstliche Intelligenz Dich ab?

Programmierung ist für die meisten Menschen Voodoo, und die Meister:innen von Sprachen wie Java, Python oder C sind entsprechend auf dem Markt begehrt und gut bezahlt. Das ist angesichts des hohen IT-Fachkräftemangels auch aktuell immer noch der Fall – aber wie sieht das in 5 oder 10 Jahren aus, jetzt, wo KI in Sekundenschnelle Code schreiben kann?

Nun, glaubt man den lauten Mitmischenden in dem Spiel, zum Beispiel Google, dann werden Techs wie Deep Mind die Art, wie Software entwickelt wird, grundlegend verändern. Bereits jetzt kann eine KI zeitaufwändige Routineaufgaben wie das Schreiben und die Vervollständigung von Code, das Schreiben und Durchführen von Tests, Refactoring, Debugging, Code Reviews und so weiter übernehmen.

Traditionell sind das Aufgaben für Junior Devs. Werden die also nicht mehr gebraucht? Ach wo! Dank KI hast Du als Junior nun die Chance, Dich auf komplexere Aufgaben zu stürzen und diese in Zusammenarbeit mit der Technologie zu lösen. Auch beim Testing und der QA reicht eine rein maschinelle Herangehensweise (noch) nicht aus und Du kannst als Newcomer:in viel lernen, viel mehr sogar, als es ohne KI der Fall wäre, denn da würdest Du ja jetzt Code schreiben. Und zu guter Letzt braucht es ja auch die Menschen, die die KI-Tools entwickeln, nicht?

Wenn diese dann noch, wie Googles sehnlich erwartetes Modell Gemini verheißt, in der Lage sind, interaktiv nachzufragen, um noch besseren Code zu generieren, gibt es bestimmt nochmal einen Push, den Dir unser liebster Youtuber Cedric aka Morpheus hier ausführlicher erklärt:

Aber das Ende der Programmierer:innen steht dadurch aller Wahrscheinlichkeit nach nicht bevor. Vielmehr stehen die Zeichen auf Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine. Dabei nutzt Du durchaus die Vorteile der KI:

  • ihr Potenzial, viele Arbeitsschritte wie das Generieren von Code, das Testing und die Fehleranalyse, zu automatisieren – und das in nahezu wahnsinniger Geschwindigkeit
  • ihr synthetisches Adlerauge bei der Identifikation und Behebung von Fehlern zur Verbesserung der Code-Qualität, Wartbarkeit und Performance von Anwendungen

  • ihre soliden Dokumentationen, die sie in no time erstellt

  • ihr Vermögen, große Datenmengen zu verarbeiten und zur Lösung von komplexen Problemstellungen beizutragen

  • ihre Fähigkeit, Muster in diesen Daten zu erkennen und Predictive Analytics zu betreiben, also Vorhersagen über zukünftige Entwicklungen zu treffen

Du als Mensch wirst jedoch weiter eine Rolle spielen – weil Du kreativ bist. Das ist zum Beispiel bei der Softwarearchitektur gefragt. KI kann keine eigenen Erfahrungen machen und diese demnach nicht wie ein lösungsorientierter Mensch auf andere Kontexte übertragen, sondern sammelt mehr oder weniger stumpf die dazu bei Google verfügbaren Erkenntnisse – nicht gleichzusetzen mit dem Erleben aus dem täglichen Arbeitskontext, das Dich als IT-Architekt:in in die Lage versetzt, komplexe Systemlandschaften zu planen, aufzusetzen und weiterzuentwickeln. Auch bei der Anforderungsanalyse oder der Kommunikation mit dem Team oder Stakeholdern wirst Du der KI mit Deiner angeborenen Menschenkenntnis immer etwas voraus haben.

Und nicht zuletzt besitzen die meisten von uns ein Gefühl für richtig und falsch und übernehmen mit Ihrem Handeln ein gewisses Maß an gesellschaftlicher Verantwortung. Das ist im Umgang mit KI nicht zu unterschätzen, denn leider erweisen sich viele Tools als biased. Auch wenn eine Technologie an sich keine Vorurteile hat: Eine KI wird nun einmal von Menschen mit Daten gefüttert und erlernt deshalb manchmal auch, bestimmte Personengruppen zu diskriminieren – oft unbewusst. Daher ist es wichtig, dass eine Software auf solche Aspekte überprüft wird, und als Menschen können wir viel besser beurteilen, ob es ethische Probleme mit einer Anwendung gibt oder sie sozial verantwortlich und moralisch vertretbar ist.

Low Code und No Code: Das Ende der Programmierung?

Vergiss PHP und Java: Heute brauchst Du nicht mehr zwingend Programmierkenntnisse und musst Dir auch keinen Code von ChatGPT generieren lassen, wenn Du eine coole Softwarelösung aus der Taufe heben willst. Denn es gibt Entwicklungsumgebungen, die keinen (No Code/NC) oder wenig (Low Code/LC) Code erfordern.

NC triffst Du vor allem im Bereich Website und Landingpage an, also bei recht einfachen und wenig interaktiven Anwendungen. Selten startest Du hier from scratch, sondern nutzt vorhandene Templates und Module. Statt Code werden Elemente, Modelle, Prozesse und Logiken grafisch dargestellt und können per drag & drop an den vorgesehenen Platz gebracht werden. Gut an No-Code-Development ist, dass Du Dir auch als technologisch weniger versierter Mensch schnell und einfach eine ansehnliche Seite im Browser zusammenklicken kannst.

Aber dass Deine entwicklerischen Möglichkeiten hier streng begrenzt sind, ist offensichtlich, denn den generierten Code kannst Du nicht mal mehr bearbeiten. Deshalb ist die komplett codefreie Technologie auch besonders für Leute interessant, die sich auf ihrem Gebiet zwar gut auskennen und auch wissen, welche kleine Anwendungen sie hin und wieder gebrauchen könnten, aber selbst nicht in der Lage sind, sie zu programmieren. Diese Menschen kommen zum Beispiel aus dem Marketing, dem Webdesign oder dem IT-Projektmanagement.

Mit Website-Buildern wie Jimdo, Wix, squarespace oder Wordpress kannst Du Websites ganz ohne Code erstellen, aber Du hast auch die Möglichkeit, eigenen Code oder Skripte einzufügen, um das Ganze dann doch ein bisschen zu individualisieren. Hierbei handelt es sich um sogenannte No-Code-Low-Code-Plattformen (NCLC), weil sie beides ermöglichen.

Low Code bedeutet, dass Du meist in einer integrierten Entwicklungsumgebung unterwegs bist, die schon fertige grafische Elemente beinhaltet und von Dir um Code ergänzt werden kann. Den könntest Du theoretisch mit ChatGPT schreiben und musst daher auch für LC nicht zwingend programmieren können. Aber Dein technologisches Verständnis reicht aus, um mithilfe der IDE komplexere Anwendungen zu erstellen. Dank Widgets, Plugins und anderer wiederverwendbarer Komponenten kommst Du schneller zu einem Ergebnis und musst nicht jedes Mal das Rad neu erfinden. Für UX-Designerinnen, POs und Anwendungsentwicklerinnen sind Low-Code-Plattformen auch zur Erstellung von Prototypen interessant. Mit Tools wie framer.io kannst Du diese sogar, anders als bei Figma oder Sketch, zu einer finalen Anwendung erweitern und diese live schalten.

Schnelle Time-to-Market, niedrige Kosten, oft beeindruckende Ergebnisse: Auch wenn NCLC einiges kann, so ist es doch zumindest aus heutiger Perspektive recht unwahrscheinlich, dass Du als IT-begabter Mensch davon gänzlich außer Gefecht gesetzt werden wirst.

Stärker, schneller, bedürfnisarm: Ausgewechselt durch Robotic Process Automation?

Mit den Robotern kam unsere Angst, von ihnen ersetzt zu werden. Heutzutage bekommen physische Vertreter zusätzliche Verstärkung von Softwarerobotern bzw. Bots. Meist in Kombination mit KI bzw. Machine Learning erlernen und automatisieren sie sich wiederholende, zeitintensive und fehleranfällige Tätigkeiten, wobei sie die menschliche Interaktion mit Software nachahmen.

Robotic Process Automation (RPA), also robotergestützte Prozessautomatisierung, kann in verschiedenen Geschäftsbereichen hilfreich sein, zum Beispiel im Kundenservice, wo freundliche Bots auf FAQ antworten und damit ihren menschlichen Kolleg:innen den Rücken für andere Tätigkeiten freihalten oder im Rechnungsmanagement, vom Scannen eines Dokuments über die Extraktion von Infos und die Eingabe in ein Buchhaltungssystem bis hin zur Zahlungsveranlassung – ganz ohne menschliches Zutun. Auch beim Management von E-Mails entfaltet RPA-Potenzial, wenn Du es Nachrichten sortieren, beantworten oder aufgrund ihres Inhalts eine bestimmte Aktion ausführen lässt.

Es schwingt schon mit: Frühestens bei der Entwicklung der Bots und spätestens, wenn mal schief laufen sollte, bist Du mit Deinen agilen, kreativen Skills gefragt! Auch wenn er weitaus weniger Fehler macht als ein Mensch, so kann ein Bot doch vor allem vordefinierte, regelbasierte Handlungen durchführen. Diese Jobs stehen auf der Abschussliste natürlich entsprechend weit oben. Die sichersten menschlichen Fähigkeiten sind die, die sich nicht automatisieren lassen, und nun hast Du dank der virtuellen Unterstützung bei Routinetasks Zeit, sie zu erlernen. So entstehen ganz neue Chancen für Entwickler, Architektinnen, Analysts, Consultants und Projektmanagerinnen im Bereich RPA.

Evolution vom Affen zum Roboter

Bild: pch.vector/Freepik

Endgegner Quanten Computing?

Der Quantencomputer ist ein sonderlich Ding: Statt in Bits mit den Werten 0 oder 1 verarbeiten sie Informationen in Qubits, die zeitweise auch aus einer Mischung von 1 und 0 bestehen können. Das kannst Du Dir vorstellen wie einen Lichtschalter, der ein bisschen an und ein bisschen aus ist – und bei dieser "Superposition" fängt der Spaß erst an.

Denn beim Quantum Computing überlagern sich Zustände, und Berechnungen werden parallel und damit noch viel schneller als von einem herkömmlichen Computer durchgeführt. Außerdem können die Qubits sich verschränken, sind über weite Entfernungen miteinander verbunden und erhöhen dadurch die Rechenleistung noch weiter. Quantencomputer eignen sich besonders für komplexe Aufgaben wie das Knacken von Code oder die Lösung schwieriger mathematischer Probleme – eigentlich für alle Aufgaben, für die herkömmliche Computer sehr viel Zeit brauchen würden.

Nichtsdestotrotz werden die guten Stücke Dich als Informatiker:in höchstwahrscheinlich nicht ersetzen – ein gewöhnlicher Computer hat ja auch schon eine weitaus höhere Rechenleistung als Du und wird Dir nicht gefährlich. Ebenso wenig werden herkömmliche Computer durch die leistungsstarken großen Brüder ersetzt werden – Quantencomputer eignen sich einfach für spezielle Aufgaben und haben einfach auch keinen massentauglichen Preis.

Die Technologie ist leider nicht grundsätzlich von moralischer Unbedenklichkeit geprägt – die dunkle Seite des Quanten Computings zeigt, dass die Technologie besser nicht in die Hände der Falschen gerät. Denn sie kann eine Bedrohung für unsere kryptografischen Methoden darstellen und unsere Verschlüsselungsverfahren außer Kraft setzen. Wer Zugang zur Technologie hat, ist im Vorteil gegenüber dem, der es nicht ist, weshalb dieses Thema auch politische und gesellschaftliche Implikationen hat. Außerdem könnten Quantencomputer KI-Systeme rasend schnell so trainieren, dass unerwünschte Verhaltensweisen auftreten.

Deshalb wird es mit Sicherheit nach wie vor viele kluge Menschen – Forschende, Entwickler:innen, Ethiker:innen – geben, die sich intensiv mit der sicheren Entwicklung und Anwendung der Technologie beschäftigen. Bist Du Teil von ihnen, stellst Du sicher, dass Quantum Computing im Einklang mit unseren ethischen und moralischen Grundsätzen und zum Wohl der Gesellschaft weiterentwickelt und eingesetzt wird.

Bist Du in ein paar Jahren als Softwareentwickler:in weg vom Fenster?

Keine Sorge: Du gräbst Dich nicht umsonst ins Feld der IT ein! Auch in Zukunft wird es noch Bedarf nach Software Developers geben. Am Ende helfen die neuen Technologien und Trends Dir wahrscheinlich vor allem dabei, noch schneller, produktiver und effizienter zu arbeiten. Du kannst Deinen Fokus von Anfang an auf komplexere Aufgabenstellungen lenken, anstatt Deine Zeit mit Routinetasks zu verplempern – wobei diese hier und da natürlich auch einen gewissen Lerneffekt für Juniors haben, den wir bei allem Enthusiasmus nicht ganz ausklammern wollen.

Aber als Softwareentwickler:in in der Zukunft kannst Du die spannenden neuen Techs nutzen, um Dich auf wertschöpfende Tätigkeiten zu konzentrieren, die nicht von einem Tool ersetzt werden können. Denn Technologie ist stark, aber nicht kreativ. Sie kann Millionen von Daten vergleichen, aber nicht aus eigenen Erfahrungswerten schöpfen, um mit den verschiedensten Kontexten umzugehen und agil auf Veränderung zu reagieren. Sie kann Routineaufgaben fehlerfreier, schneller und sorgfältiger erledigen als wir, aber sie kann keine strategischen Entscheidungen treffen. Sie kann von Gefühlen erzählen, aber nicht empfinden. Deshalb wirst Du als Mensch gebraucht, um innerhalb des Teams und mit den Stakeholdern zu kommunizieren. Um darauf zu achten, dass wir als Menschen von der Technologie profitieren. Zum Glück bist Du als Mensch viel besser in der Lage, Dich an neue Situationen anzupassen. Zum Beispiel daran, dass die Techs der Zukunft echt eine Menge können – zu Deinem Vorteil als IT’ler:in: The future has begun!

TL;DR:
  • Unter allen aktuellen Technologie-Trends wird besonders diesen ab und zu nachgesagt, dass sie Dir Deinen Job in der IT streitig machen könnten: KI, No-Code-Low-Code-Plattformen, Robotic Process Automation und Quantencomputing.
  • Seit Tools wie ChatGPT Code schreiben, vervollständigen, testen, debuggen und verbessern können, verlagern sich die Aufgaben der Entwickler:innen. Davon profitieren besonders Junior Developer, die traditionell unzählige Stunden mit dem Verfassen von Codezeilen verbrachten.
  • NCLC-Plattformen ermöglichen es auch Menschen, die nicht programmieren können, Websites und Anwendungen zu erstellen – bzw. geben Dir als Dev neben einer integrierten Entwicklungsumgebung mit fertigen grafischen Elementen auch die Möglichkeit, eigenen Code einzufügen.
  • RPA ist ebenso mehr Support als Gefahr für Dich. Und auch der Quantencomputer wird Dir trotz all seiner überragenden Fähigkeiten erstmal nicht das Wasser abgraben.
  • Stattdessen werden die neuen Technologien Dich unterstützen, verbessern und beflügeln – also hab viel Spaß damit!

Titelbild: KI-generiert mit Adobe Firefly